BMW M235i Coupé im Test: Spaßgranate oder Rohrkrepierer?

January 20, 2014

Vorläufiger Top-2er: Das neue BMW M235i Coupé

Mit 4,45 Meter ist der M235i so lang wie noch ein 3er vor zehn Jahren

Je nach Lichteinfall kommen die Blechfalze im seitlichen Profil anders zur Geltung

Las Vegas (USA), 20. Januar 2014
Aufmerksam werden wir von dem Motorradpiloten, der neben uns auf dem Highway in Richtung Las Vegas fährt, gemustert. Kein Wunder, wir fahren die gleiche Marke wie er: BMW. Doch unser knallrotes Coupé ist noch brandneu und hört auf den Namen M235i.

Im Zeichen des M
Moment mal? M und 235i? Klingt ungewohnt, erklärt sich aber recht schnell: Die Nachfolger von 1er Coupé und Cabrio werden künftig 2er genannt. Vorläufiges Topmodell ist der M235i, der unter dem Label M Performance auf Touren gebracht wird. Laut BMW befindet er sich damit eine Stufe unter den “richtigen” M-Modellen. Was nun nicht bedeutet, dass der M235i zum Kuschel-Sportler wird: Immerhin holt er aus sechs Zylindern stramme 326 PS, womit er auf dem Level des M3 der E36-Baureihe aus den 1990ern liegt. Nur hatte der keinen Twin-Scroll-Turbo unter der Haube.

Erinnerungen werden wach
Und da wir gerade dabei sind, wie Opa vom Krieg zu reden: Formal erinnert uns das sauber gezeichnete BMW M235i Coupé an den unvergessenen 323i von 1977: Kompakt, elegant und “Schubkarren”-Endrohre links und rechts am Heck. Kompakt ist beim 2er freilich relativ zu sehen: Mit strammen 4,45 Meter ist der M235i so lang wie ein 3er vor zehn Jahren. (BMW möchte den 2er noch lieber als Erben des 02 sehen, doch das geht dann schon in das Äpfel-und-Birnen-Sortiment.)

Ganz schön unauffällig
Trotz einer Frontschürze mit größeren Lufteinlässen und Spoiler auf dem Heckdeckel ist der Auftritt des M235i eher dezent. Innen setzt sich diese Linie fort, hier weisen das auch für schwächere 2er empfehlenswerte M-Lenkrad und Sportsitze auf das M im Namen hin. Wer mehr Krawall möchte, muss den Geldbeutel öffnen und investieren, zumal es auch reichhaltiges M-Zubehör gibt. Andererseits: Wer auf Holzeinlagen und helles Leder steht, bekommt auch das. Sollte irgendjemand mit einem 2er Coupé als Familienkutsche liebäugeln: 390 Liter Gepäck passen ins Heck, in den Fond aber nur Menschen bis 1,80 Meter Körpergröße.

Spaß auf Knopfdruck
Soweit zur Theorie, kommen wir zur Praxis. Per Knopfdruck meldet sich der Dreiliter-Sechszylinder zu Wort. Allerdings säuselt er uns eine Spur zu leise, selbst bei Volllast im Sport-Plus-Modus vermissen wir die klassischen Sechs-Orgien. Im Gegenteil: Es wirkt beinahe so, als wolle der Motor in dieser Gangart einen V8 imitieren. Überhaupt der so genannte Fahrerlebnisschalter: Beim M235i kann mit seiner Hilfe tatsächlich der Charakter des Wagens verändert werden. (Vom Eco-Pro-Spritsparmodus reden wir lieber nicht, er ist etwas für 218d-Fahrer.) Bei “Comfort” wird dich deine Mutter auf dem Beifahrersitz für dieses laufruhige und komfortable Auto mit der sanft schaltenden (optionalen) Achtgang-Automatik loben. Aber setz sie schnell zu Hause ab, bevor du den Sport-Plus-Modus wählst. Damit werden Lenkung, Gasannahme, Schaltcharakteristik geschärft und das ESP weitestgehend außer Kraft gesetzt.

Auf dem Katapult
Jetzt noch die Launch Control aktiviert und es kann losgehen: 3, 2, 1 – WHOAAAAAAAAAAA! Die Nadel jagt über den Drehzahlmesser, die Sport-Automatik knallt die Gänge mit messerscharfer Präzision rein, während wir erst nach den 4,8 Sekunden auf 100 km/h den Haltegriff gefunden haben. Das zwischen 1.300 und 4.500 Umdrehungen bereit stehende maximale Drehmoment von 450 Newtonmeter lässt den Fahrer um jede Kurve betteln, zumal der Grenzbereich beim M235i so hoch angesiedelt ist, dass das optionale M-Sperrdifferenzial kaum nötig ist. Natürlich, driften kann man mit dem Coupé, muss es aber explizit herausfordern. Die Agilität des M235i erinnert an eine Computermaus, deren Zeiger man blitzschnell dorthin wischt, wo man hin will. Anders formuliert: Dank Hinterradantrieb schnürt der Wagen genau so ums Eck, wie du es eine Sekunde vorher geplant hast. Allrad ist eben doch nur Viagra für Fronttriebler.

M wie mehr
Apropos Trieb: Nach einem Tag im M235i wird klar, dass da noch etwas nach oben gehen muss. Das verrät M-Boss Friedrich Nitschke durch die Blume gesprochen. Durch die Namensänderung von 1 zu 2 liege ein M2 durchaus im Bereich des Möglichen, zumal das legendäre 1er M Coupé ein Riesenerfolg war. Das durfte aber nicht M1 heißen, weil es schon die legendäre Sportwagen-Ikone aus den 1970ern gab. Was Nitschke nicht sagt, aber sicher eine Rolle spielt, ist die Konkurrenz: Da hat Mercedes mit dem 360 PS starken CLA 45 AMG vorgelegt.

Investitions-Frage
Für US-Verhältnisse ist der M235i ein “Toy Car”, ein Spielzeugauto. Allerdings kein Billiges: Inklusive der empfehlenswerten Sport-Automatik (keine Panik, man kann auch per Wippen eingreifen) werden mal eben 46.000 Euro fällig. Immerhin, eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik, Xenon-Licht, 18-Zoll-Alus und diverse optische Nettigkeiten sind schon inklusive. Und ein vergleichbarer Mercedes CLA 45 AMG kostet 10.000 Euro mehr. Trotzdem sind die von BMW aufgerufenen 450 Euro für Parkpiepser hinten ziemlich dreist. Solche Probleme hat unser Duellgegner mit seiner BMW S 1000 RR nicht: Ein kurzes Kopfnicken und er jagt in Richtung Horizont. Freude am Fahren haben wir beide.
(rh)

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