Ronda (Spanien), 30. März 2015
Der Cayenne GTS bemüht sich seit 2007 bemerkenswert erfolgreich darum, sowas wie das SUV zu sein, das auch Menschen fahren, die SUVs eigentlich nicht ausstehen können. Bodykit und Bremse übernahm er stets vom mächtigen Cayenne Turbo. Dazu drückte man ihn ein gutes Eck näher an den Asphalt und versah ihn mit einem messerscharf aufgeigenden V8-Sauger. Der GTS war der wilde Hund. Immer ein kleines bisschen greller, kerniger und lauter als der typische Zahnarzt-Gattinen-Cayenne auf dem Parkplatz vor Jacques Weindepot. Das Grelle hat man – zumindest bei diesem Farbton namens Carminrot – auch nach dem jüngsten Facelift beibehalten. Wenn Sie auf der Suche nach weiteren Optik-Änderungen gescheitert sind: Versuchen Sie es an der Front, den nun schlankeren LED-Lichtern vorne und hinten sowie beim Lenkrad, dass nun aussieht, wie das Volant im schwäbischen Hybrid-Flash-Gordon 918 Spyder.
Mehr Bumms, weniger Durst
Und? Wo ist nun der Punkt? Wirkt doch alles wie immer, oder nicht? Naja, nicht ganz. Porsche hat den Motor geschrumpft. Das heißt, Porsche hat darauf reagiert, dass hemmungslos drehende Achtzylinder in großen, schweren Autos derzeit in etwa so sozialverträglich sind, wie unser neues Mautgesetz. Also fährt jetzt auch der Cayenne GTS mit einem 3,6-Liter-Biturbo-V6. In Sachen Leistung, Überhol-Punch und CO2-Bilanz gibt es an dieser Entscheidung auch nichts zu meckern. Der Neue hat mit 440 PS und 600 Newtonmeter nun 20 PS und 75 Newtonmeter mehr als der alte 4,8-Liter-V8, braucht aber 0,9 Liter weniger und spart 23 Gramm CO2 pro Kilometer ein. Das dürfte den meisten Cayenne-GTS-Fahrern relativ egal sein, aber die Herren in der Porsche-Chefetage und ein paar Öko-Füchse bei der EU springen vor Freude im Dreieck.
Wirklich noch schneller
Der GTS-Käufer dürfte sich eher darüber freuen, dass der neue V6 die Null-auf-100-km/h-Zeit um eine halbe Sekunde auf 5,2 Sekunden drückt. Mit Sport-Chrono-Paket samt Launch Control sind es sogar 5,1 Sekunden. Auf der Straße fühlt sich der neue GTS ganz genau so an, wie es die irren Zahlen vermuten lassen. Er wirkt noch ein gutes Stück schneller, als der befremdlich schnelle Cayenne S. Und er hängt auch besser am Gas. Wenn auch nicht ganz so bissig wie der alte V8. Dem muss er auch in puncto Klang verschämt den Vortritt lassen. Dreht man den Sechszylinder samt seinem serienmäßigen Sportauspuff aus, kommt zwar durchaus Leben in den großen Kasten, jedoch versucht der GTS gar nicht erst, den Klangverstärker in den Innenraum zu verhehlen.
Physik ist für andere
Ist der geliftete Sport-Cayenne also nur ansatz- und mühelos schnell, oder geht da noch mehr? Sagen wir so: Mit den 24 Millimeter Tieferlegung (wählt man die Luftfederung, sind es 20 Millimeter) pfeift der GTS noch offensichtlicher auf Banalitäten wie die Grenzen der Physik. Würden Sie ihn komplett getarnt fahren, würden Sie wohl eine ganze Menge vermuten, aber nicht, dass Sie hier gerade ein 2,2-Tonnen-SUV-Schlachtschiff wie einen etwas zu potenten Kompaktsportler in die Kurve werfen. Wenn Sie das PSM ausschalten, wird er Sie dazu mit einem unerwartet spielfreudigen Heck verzücken. Es ist beängstigend, was die besten Ingenieure (also die aus Zuffenhausen) mittlerweile aus Autos machen können, die ursprünglich dazu gedacht waren, Großeinkäufe zu transportieren oder schwere Dinge zu ziehen.
Wo steht der GTS?
Wo ist nun also das Problem mit dem Cayenne GTS? Eigentlich gibt es keins: Er ist viel zu schnell für seine Ausmaße und viel zu bequem für seine Schnelligkeit. Allerdings scheint er mit dem neuen Biturbo-V6 nicht so ganz zu wissen, wo er hingehört. Porsches GTS-Reihe stand immer für das beste Fahrerlebnis, nicht unbedingt für die deftigste Beschleunigung. GTS hieß: etwas mehr Ausstattung, etwas mehr Fahrwerk und vor allem Saugmotor. Das Auto für Kenner eben. Nun mag ein solcher Ansatz bei einem SUV für viele Blödsinn sein, aber der alte V8-GTS fühlte sich irgendwie sehr speziell an. Das Facelift-Modell fühlt sich an wie der 420-PS-Cayenne S mit anderem Motormapping (das ist er ja auch). Das alles ist nicht schlimm, es wirkt einfach so, als sei zwischen dem S und dem alles pulverisierenden Turbo S ein Schuss hochdrehende Verrücktheit abhandengekommen.
Knackiger Aufpreis
Trotz dieser Systemkritik ist der neue Cayenne GTS natürlich ein fantastisches SUV geworden, das nun noch müheloser und eiliger Kilometer frisst als ohnehin schon. Das Ganze passiert zu Preisen ab 98.152 Euro. Damit ist der Cayenne GTS über 17.000 Euro teurer als der Cayenne S. Dem voraus hat er unter anderem adaptive Dämpfer, die gewaltige Turbo-Bremsanlage, das schicke Bodykit, eine Sportabgasanlage, 20-Zöller und ein wirklich schönes Alcantara-Interieur mit elektrisch verstellbaren Sportstühlen. Einen Fehler werden Sie mit diesem Auto sicher nicht machen, allerdings sollten Sie sich in Ermangelung eines hochdrehenden, jubilierenden Achtzylinders fragen, ob es der Cayenne S oder gar der hervorragende Cayenne S Diesel nicht auch tun.
(sw)
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