Ingolstadt, 14. Juli 2015
Nach einem anstrengenden Kundentermin oder einer langen Bergtour hat sich so mancher schon einen roten Home-Button im Auto gewünscht: einen Knopf, den man nur zu drücken braucht, und der Wagen fährt einen selbstständig bis zur Haustüre, während man selbst dösen kann. Noch gibt es das nicht, aber gerade die deutschen Hersteller forschen wie wild auf diesem Gebiet.
Im Renntempo zur Serienreife
Während Mercedes auf einen autonom fahrenden LKW und eine vanartige Limousinenstudie namens F 015 verweisen kann und Volvo schon einen Großversuch in Schweden laufen hat, besitzt Audi offiziell kein einziges autonom fahrendes Auto. Denn Audi nennt solche Fahrzeuge “pilotiert”, genauso wie ein Allradantrieb natürlich ein quattro ist. Das pilotierte Pferd im Stall ist ein modifiziertes Serienauto, und zwar ein sportliches: der RS 7. Nun nähert sich die Technik sozusagen im Renntempo der Serienreife. Auf dem kalifornischen Sonoma Raceway hat der autonome RS 7 seine bisherigen Leistungen noch einmal übertroffen. Der Wagen ist offenbar inzwischen so schnell, dass man sich fragen muss, ob sich die DTM-Fahrer künftig fahrerloser Konkurrenz stellen müssen.
Rundenzeiten, besser als die von guten Fahrern
“In Sonoma haben wir den Audi RS 7 piloted driving concept Runde um Runde ans physikalische Limit gebracht, und dies in gleich bleibender Präzision”, schwärmt Thomas Müller, bei Audi verantwortlich für die Entwicklung von Brems-, Lenk- und Fahrerassistenzsystemen. “Das Auto erzielte Rundenzeiten, die besser waren als die von Sportfahrern.” Der RS 7 benötigte für den 4.050 Meter langen Kurs nur 2:01,01 Minuten, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 120 km/h entspricht. Zum Vergleich: Der aktuelle Rundenrekord wurde mit einem Durchschnittstempo von 178 km/h gefahren, allerdings mit einem reinrassigen Rennwagen, dem Audi R8 LMP.
Bobby in Hockenheim, Robby in Sonoma
Seit geraumer Zeit testet Audi das autonome Fahren unter zunehmend anspruchsvollen Bedingungen. Im Oktober 2014 absolvierte ein RS 7 mit dem Spitznamen Bobby bereits eine fahrerlose Runde auf dem Hockenheimring mit bis zu 240 km/h. Die neue Generation des Autos trägt den Namen Robby, ist wie das Serienauto mit 560 PS unterwegs und wurde im Vergleich zum Vorgänger um rund 400 Kilo leichter.
Jack fährt schon auf der deutschen Autobahn
Für den Alltag relevanter und wohl auch technisch anspruchsvoller ist das autonome Fahren im realen Straßenverkehr. Anfang 2015 fuhr “Jack”, ein Audi A7 piloted driving concept, vom Silicon Valley nach Las Vegas zur Consumer Electronics Show (CES). Kurz darauf nahm das gleiche Auto schon deutsche Autobahnen unter die Räder, und zwar mit bis zu 130 km/h. Und bei der CES Asia im Mai 2015 quälte sich Jack sogar durch das Verkehrschaos der Megacity Shanghai. Die Testfahrten bringen Erkenntnisse für die Seriensysteme – von der Sensortechnik über die Datenverarbeitung bis hin zur Fahrzeugsteuerung und -stabilisierung.
Wenn der Fahrer über- oder unterfordert ist
Das pilotierte Fahren empfiehlt Audi insbesondere für Situationen, in denen der Fahrer über- oder unterfordert ist. Die vorausschauende Technik erlaubt ein noch effizienteres Fahren, reduziert Stress und steigert den Komfort. In der nächsten Generation des A8, die Ende 2015 vorgestellt wird und Anfang 2016 auf den Markt kommt, geht das System in Serie, so Audi. Allerdings wird der Wagen nicht autonom durch die Stadt fahren, sondern nur das Einparken übernehmen und selbstständig im Stop-and-go-Verkehr auf Autobahnen bis 60 km/h unterwegs sein – und das gibt es bei der Konkurrenz auch schon. Wer sich auf einen Home-Button gefreut hat, muss sich also noch etwas gedulden.
(sl)
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