München, 4. April 2016
Sie heißen Opel Insignia Country Tourer, VW Passat Alltrack oder Skoda Octavia Scout und sie haben alle eines gemeinsam: Sie sind Kombis mit Crossover-Geländewagen-Allüren. Das Produkt von Audi, das in dieser Sparte seit 2009 an den Start geht, heißt A4 allroad quattro. Und mit dem Erscheinen der neuen Modellgeneration der A4 Limousine und des A4 Avant wurde auch der allroad einem Update unterzogen. Aber Moment, Geländewagen-Allüren? “Natürlich ist der A4 allroad quattro kein beinharter Offroader”, sagt mir der technische Projektleiter Burkhard Wiegand, doch “er tut einiges, um seinem Namen gerecht zu werden.” Was genau? Ich habe den neuen Cross-Kombi bereits ausgiebig testen können.
Allroad-Optik mit mehr Bodenfreiheit
Optisch unterscheidet sich die allroad- von der normalen Avant-Version durch einen eigenständigen Stoßfänger mit einem alles einnehmenden Grill samt vertikaler Chromlamellen. Dazu kommen ein silberfarbener Unterfahrschutz und ein Heckdiffusor, ausgestellte Radläufe mit Plastikbeplankung rund herum sowie die modellspezifischen Plaketten auf dem Kofferraumdeckel und den vorderen Kotflügeln. Außerdem hat Audi den allroad gegenüber dem A4 Avant 23 Millimeter höher gelegt. Zusammen mit den serienmäßigen 17-Zoll-Felgen steigt die Bodenfreiheit um insgesamt 34 Millimeter. Das mag sich im ersten Moment nicht sonderlich atemberaubend anhören, doch wenn man nicht unbedingt auf SUV-Höhe am Verkehr teilnehmen möchte, sondern einfach nur ein klein wenig über den Limousinen- und Kombi-Dingen schweben will, dann ist der allroad eine gute Wahl.
Adaptives Fahrwerk gegen Wankbewegungen?
Apropos “Schweben”: Erstmals kann man im A4 allroad quattro auch ein Fahrwerk mit adaptiver Dämpferregelung bekommen. Nicht, dass man den ausgeglichenen “auto”-Modus jemals verlassen müsste, aber zu wissen, dass sich auch die Fahrwerkseinstellung ändert, wenn man mit dem Fahrdynamiksystem zwischen den anderen Programmen “comfort”, “dynamic”, “efficiency”, “individual” und “offroad” hin und herschaltet, ist ein gutes Gefühl. Darüber hinaus versucht die neu konzipierte Fünflenker-Aufhängung an Vorder- und Hinterachse, so gut es geht mit dem erhöhten Schwerpunkt des Fahrzeugs klarzukommen. Etwas stärkere Wankbewegungen lassen sich bei schnellen Kurvenfahrten trotzdem nicht vermeiden.
272-PS-Diesel und 252-PS-Benziner
Ich fahre auf der A8 von München in Richtung Rosenheim. Im Motorraum arbeitet der 3,0-Liter-V6-Diesel mit 272 PS, der mit der Achtgang-Automatik verknüpft ist. Das Aggregat ist in Verbindung mit dem Getriebe eine Wucht. Kräftig, schnell und vergleichsweise sparsam (7,9 Liter Diesel meldet der Bordcomputer) erreiche ich Kolbermoor kurz vor Rosenheim. Hier schnappe ich mir Florian Kolb aus der Antriebsentwicklung bei Audi, um mit ihm eine Runde im 252 PS starken 2,0-TFSI-Vierzylinder-Derivat des allroad zu drehen. Zugegeben, der Motor – so ausgeklügelt, spritzig und sparsam er auch sein mag – passt mit nur 370 Newtonmeter Drehmoment nicht wirklich zu einem Kombi, der sich optisch von einem Freizeitabenteuer ins nächste stürzt. Der kräftige Diesel-Stoß in den Rücken fehlt mir. Aber in diesem Fall geht es mir auch nicht um den Motor, sondern um das neue quattro-Allradsystem mit ultra-Technologie, das vorerst nur in dem flotten Benziner erhältlich ist.
ultra-quattro: Wie Sie merken, merken Sie nichts
Um künftig ein wenig an der Tankstelle sparen zu können, haben Kolb und seine Kollegen ein System entwickelt, das den Allradantrieb nur dann aktiviert, wenn er wirklich gebraucht wird. Bei dem normalen quattro-Antrieb von Audi können lediglich die Drehmomente je nach Bedarf zwischen Vorder- und Hinterachse jongliert werden. Das neue System ermöglicht jetzt, die Hinterachse samt Kardanwelle komplett stillzulegen. Rund 0,3 Liter Kraftstoffersparniss sollen alle 100 Kilometer drin sein. Zu erklären, wie das funktioniert, würde hier den Rahmen sprengen und viel wichtiger ist doch eigentlich: Merke ich als Fahrer, dass ich mal nur mit Vorderrad- und mal mit Allradantrieb unterwegs bin? Kurz und knapp: Nein und im Cockpit weist auch keine Anzeige darauf hin, ob ich jetzt mit zwei oder vier Rädern Kraft auf die Straße übertrage. Das sei Absicht, erklärt mir Kolb. Erstens soll der Fahrer nicht unnötig abgelenkt werden und zweitens sei der Allradantrieb immer bereits zugeschaltet und verfügbar, wenn er mal benötigt wird.
Die Auswertung und der Einzug
Nach einer 45-minütigen Fahrt durch das bayrische Alpenvorland werten wir die gesammelten Daten aus. 80 Prozent der Zeit war ich mit Vorderradantrieb unterwegs, nur bei 20 Prozent der Fahrsituationen war Allrad nötig. Auch die Gründe für die Zuschaltung der Hinterachse kann mir Kolb nennen: Vor allem waren es starke Quer- und Längsbeschleunigungen. Aber auch, weil ich einen Kickdown gemacht, das ESP ausgeschaltet und ein Mal in den Offroad-Modus gewechselt habe. Der A4 allroad ist zunächst das erste Modell mit dem neuartigen Antrieb. In Zukunft wird das System dann in alle quattro-Fahrzeuge einziehen, die auf dem modularen Längsbaukasten basieren (zum Beispiel A6 und Q5) und die mit der Siebengang-S-tronic oder dem manuellen Sechsgang-Getriebe ausgerüstet sind. Eine schleichende Revolution, die keine Nachteile hat. Außer vielleicht für den Tankwart.
Innen wie der A4 Avant
Aber zurück zum A4 allroad quattro, mit dem ich mich bereits auf den Rückweg gemacht habe. Im Innenraum gibt es keine Veränderungen gegenüber dem normalen A4 der nunmehr neunten Generation. Man hat stets viel Platz, eine sehr gute Sitzposition und man kann sich an einem wunderbar verarbeiteten und sehr durchdachten Interieur erfreuen. Dazu helfen mir die zahlreichen Fahrassistenzsysteme im Alltag und aktuell vor allem der Stauassistent durch den zäh fließenden Rückreise-Verkehr aus den Alpen in Richtung bayrische Landeshauptstadt. Unterhalten werde ich dabei gut von meiner auf dem Smartphone gespeicherten Musik, die das Bang&Olufsen Soundsystem wiedergibt.
Und die Preise?
So viel Perfektion und Komfort kosten Geld. Der Top-Diesel startet bei mindestens 54.400 Euro. Ein normaler A4 Avant ist ab 51.950 Euro zu haben. Macht einen allroad-Aufpreis von 2.450 Euro. Offiziell wurden die Preise für den Benziner mit dem neuen Allrad-System noch nicht bekannt gegeben. 46.300 Euro kostet der Kombi ohne Freizeit-Optik und mit herkömmlichem quattro-Antrieb. Da das neue Antriebssystem nicht teurer werden soll als das aktuelle, dürfte der 252-PS-Benziner mit ultra-quattro und allroad-Badge knapp unter 49.000 Euro rangieren.
(ml)
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