Grenoble (Frankreich), 27. Februar 2015
Wie fährt man in eine enge Längsparklücke? Natürlich vorwärts. Wie kommt man wieder raus? Am besten rückwärts. Wie geht es unfallfrei um die Kurve? Haarscharf an die Ecke ran, wie ein Skirennfahrer beim Slalom. Wenn Sie die Fragen genauso beantwortet haben, sind Sie reif. Reif für ein paar Fahrschul-Stunden oder aber – für den Toyota i-Road. Denn bei diesem verrückten Elektro-Dreirad ist so ziemlich alles anders. Wir haben uns auf das Ding eingelassen und es in Grenoble gefahren, wo es als Car-Sharing-Mobil angeboten wird.
Lustige Kurvenmechanik
Vor dem Losfahren ist ein Fahrtraining Pflicht, und das hat seinen Grund. Innen ist zwar alles ziemlich normal: Da ist ein Sitz (sogar zwei, wenn man genau guckt), ein Gurt, ein Lenkrad, ein Tacho, zwei Pedale, ein paar Tasten für die Automatik-Modi. Soweit alles gut, aber als ich dann dem Trainer zusehe, wie er auf dem leergeräumten Platz um die Pylonen wedelt, wird mir doch ein wenig mulmig. Das dreirädrige Ding neigt sich ziemlich bedenklich in die Kurve. Im Prinzip ist der i-Road aufgebaut wie einer dieser dreirädrigen Roller, die zwei Reifen vorne und einen hinten haben. Anders als bei einem Fahrrad oder Motorrad wird die Kurvenneigung nicht durch Gewichtsverlagerung des Fahrers bewirkt, sondern durch eine Mechanik, die ein Vorderrad absenkt und das andere anhebt.
Die Hinterradlenkung macht die Sache tricky
Kurvenneigung allein ist nun noch nichts wirklich Beklopptes, auch nicht, wenn sie mit einem Stellmotor bewirkt wird. Verrückt wird das Ganze dadurch, dass nicht die Vorderachse gelenkt wird, wie bei jedem anständigen Fahrzeug, sondern die Hinterachse – genauer gesagt, das Hinterrad. Und dadurch, dass dieses so weit hinter dem Fahrer liegt. In der Kurve schwingt deshalb das Heck weit aus. Man muss also gemeinst aufpassen, dass man keine Pfeiler, Mauerecken, Kotflügel oder Passanten mitnimmt – auf der Kurvenaußenseite wohlgemerkt, an die man zum Beispiel als Zweiradfahrer selten denkt. Beim i-Road kann das ins Auge gehen, man muss das Gehirn eingeschaltet lassen, statt sich auf jahrzehntelang geschärfte Instinkte zu verlassen. Es ist ein wenig schwer zu erklären, also beginnen wir langsam, bei meinem Training.
Wie kommt man bloß um die Ecke?
Mein Trainer zeigt zuerst, wie man mit dem i-Road nicht um die Ecke fährt. Macht man es nämlich genauso wie mit dem Auto, dann lenkt man viel zu spät – das gelenkte Rad ist ja weit hinter einem. Stattdessen peilt man scharf die Ecke (oder im Trainings-Fall die Pylone) an, und lenkt schon dann ein, wenn das Vorderrad diese erreicht hat. Das Hinterteil schwingt herum, und man ist vorbei. Jetzt ist es wichtig, das Lenkrad schnell wieder loszulassen, sodass es zurückschnalzt. Was beim Auto eine schlechte Angewohnheit ist, wird hier zum entscheidenden Trick, denn nur so kommt man schnell genug wieder in die Geradeausfahrt hinein. Als Nächstes soll ich zwischen ein paar Pylonen längs einparken. Mit dem Auto fährt man rückwärts in die Lücke hinein und vorwärts wieder heraus. Bei meinem i-Road geht es genau umgekehrt. Reinfahren ist also ziemlich leicht, aber das Herausfahren ziemlich schwierig. Nur gut, dass die Parklücke hier nicht von Porsches und Rolls-Royces begrenzt wird, sondern von Plastikpylonen, und dass kein Berufsverkehr an der Parklücke vorbeipfeift.
Ein Lächeln in jedem Passantengesicht
Nach etwa zwanzig Minuten ist mein Training abgeschlossen und ich darf kreuz und quer durch Grenoble düsen. Nicht ganz einfach in einer Stadt, in der es alle zwanzig Meter einen Zebrastreifen gibt, in der die Fahrradfahrer rudelweise von allen Seiten kommen und wo man beim Rechtsabbiegen oft noch den Bus durchlassen muss. Aber wenn es nicht gerade durchs dickste Gewusel geht, macht es wirklich Spaß: Die Kurvenneigung macht Laune, und mein giftgrünes Vehikel zaubert ein Lächeln in die Gesichter der verblüfften Fußgänger. Kleine Jungs deuten auf das seltsame Dreirad, und ab und an erntet man ein ungläubiges Kopfschütteln, wenn man gerade wieder einmal windschief in der Kurve hängt.
Nicht ganz leicht: Distanz gewinnen
Kurvenfahren macht mit dem i-Road natürlich am meisten Spaß, vor allem mit Karacho. Nur darf man sich nie ganz dem Fahrspaß hingeben, sonst macht es Peng, und die Fahrt ist zu Ende. Ziemlich knifflig wird es, wenn man parallel zu nah an ein parkendes Auto hingefahren ist. Wie entkommt man der gefährlichen Nähe? Einfach einlenken und Gas geben geht schon mal nicht, denn dann fährt man mit dem Hinterteil geradewegs in den parkenden Wagen hinein. Also schön langsam in kleinem Winkel weglenken und hoffen, dass der Platz reicht. So habe ich es jedenfalls gemacht. Erst viel später, als ich nochmal drüber nachdenke, fällt mir ein: Ich hätte natürlich rückwärts fahren müssen.
Spaß haben, aber das Aufladen nicht vergessen
Dann geht es zur Ladestation. Richtig, der i-Road ist ja ein Elektrofahrzeug. Angesichts der Kurven-Besonderheiten gerät der Antrieb fast zur Nebensache, aber allerspätestens nach 50 Kilometern muss man daran denken, denn dann ist der Saft aus. In der Praxis schafft man laut Toyota eher 30 bis 35 Kilometer – je nach Fahrweise. Und je nach Temperatur, denn bei Kälte gehen Lithium-Ionen-Batterien bekanntlich schneller in die Knie. Bei unserer Spazierfahrt hatte es etwa zehn Grad, was ziemlich kühl ist, wenn man mit Maximaltempo 45 – das Vehikel könnte auch 60 km/h schaffen, wird aber aus Zulassungsgründen abgeregelt – durch die Stadt düst. Besonders kühl ist es, wenn man die beiden Fenster nicht gleich zukriegt. Immerhin hat das Ding Glasscheiben, sie werden aber mit der Hand an einer Strippe hochgezogen und oben per Magnet am Rahmen befestigt, auch ganz schön verrückt.
Was ist Lärmdämmung? Was ist Komfort?
Und noch etwas: Der i-Road ist eine ziemliche Rappelkiste. Wer einmal damit über Kopfsteinpflaster gefahren ist, weiß, was gemeint ist. Federung scheint das Spaßmobil keine zu haben, Lärmdämmung ganz sicher nicht, und Komfort gibt es auch keinen. Radio oder Heizung sucht man vergebens, die Klimatisierung wird mit Öffnen und Schließen der Fenster bewerkstelligt. Einen Kasten Bier wird man kaum auf dem Rücksitz unterbringen, aber der Trend geht angeblich ja ohnehin eher zum Sixpack. Außerdem ist der i-Road eben ein Spaßmobil und kein schnödes Transportmittel.
Wohnortwechsel ist Voraussetzung
Sie haben Lust bekommen auf dieses unkonventionelle Neige-Mobil? Sie sind ein guter Fahrer (wie 99 Prozent aller Deutschen, wenn man sie nach ihrer Selbsteinschätzung fragt), und können Kurven aller Art im Schlaf fahren, mit jeder Art von Fahrzeug? Dann müssen Sie jetzt stark sein, denn kaufen kann man den i-Road nicht. Sie sollten nach Grenoble umziehen, da kann man das Ding fahren. 35 Stück davon werden dort als Car-Sharing-Fahrzeuge angeboten. Cité Lib by Ha:mo heißt das auf drei Jahre geplante, neue Versuchsprojekt. Das Ausleihen kostet drei Euro für die erste Viertelstunde, zwei Euro für die zweite und für jede folgende einen Euro, sodass man für eine Stunde sieben Euro zahlt. Das ist teurer als der öffentliche Nahverkehr, aber auch wesentlich spaßiger.
Fazit: Ein total verrücktes Dreirad
Konzernchef Akio Toyoda ist ganz wild auf Fahrspaß: Toyota-Modelle sollen “fun to drive” sein, hat er verfügt. Das kann mit Sportlichkeit etwas zu tun haben wie beim Toyota GT86. Muss es aber nicht, wie der völlig unsportliche i-Road zeigt. Der macht vor allem in der Kurve jede Menge Spaß. Das Dreirad ist aber primär ein ungewöhnliches Spaßmobil, zu dem Farben wie Giftgrün, Dottergelb und Pink gut passen. In diesem Vehikel fällt man auf. Wer Spaß daran hat, und gern mal was Verrücktes tut, dem wird der i-Road gefallen. Suchen Sie eher ein bierernstes, praktisches Transportmittel? Haben Sie sich in den Komfort und die Sicherheit Ihres modernen Autos verliebt, haben Sie gar ein Rückenproblem oder sind sonstwie empfindlich? Dann lassen Sie die Finger vom i-Road. Eine Macke schadet dagegen nicht, denn ein bisschen verrückt muss man für den i-Road schon sein.
(sl)
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