Bonn, 24. September 2014
Um Cadillac ist es in Deutschland in letzter Zeit ein bisschen still geworden. Nach der Pleite des Importeurs Kroymans nahm der Mutterkonzern GM ab 2010 den Vertrieb wieder selbst in die Hand. Zurzeit gibt es in Deutschland zehn Händler, bis Mitte 2015 sollen es 15 sein. Auch das Produktportfolio ist derzeit überschaubar. Als Limousinen treten der ATS in der Mittelklasse und der CTS in der oberen Mitteklasse an. Bei den großen SUVs schicken die Amis den SRX ins Rennen. Und dann gibt es noch den Escalade, ein 5,15-Meter-Trumm mit sieben Sitzen und 6,2-Liter-V8 – genau so wie man sich ein US-SUV vorstellt.
Geduckter als die Limousine
Jetzt kommt das ATS Coupé an die Seite der gleichnamigen Limousine und soll junge Käufer aus der Liga von BMW 4er Coupé und Audi A5 Coupé locken. Ein bisschen länger, mit flacherer Dachlinie und breiterer Spur duckt es sich mehr an den Asphalt als das Stufenheckmodell. Mit dem Viertürer teilt sich das Coupé die markanten Linien sowie die Optik der für die Marke typischen schmalen, längs angeordneten Leuchten an Front und Heck. Vorn und hinten fällt zudem das neue Cadillac-Logo auf. Es ist schlichter gehalten und verzichtet auf den Lorbeerkranz rundum. Eine neue Bescheidenheit der Marke?
Zweiliter-Turbo
Für amerikanische Verhältnisse bescheiden ist zumindest der Motor, der am anderen Ende von zwei dicken Auspuffenden Dienst tut. Bei diesem Vierzylinder-Otto kommt die Leistung aus dem Turbo und nicht aus dem Hubraum. Immerhin schafft der Zweiliter-Vierzylinder stolze 276 PS und 400 Newtonmeter herbei. Das Aggregat ist an eine Sechsgang-Wandlerautomatik gekoppelt, das einzig angebotene Getriebe in Europa. In den USA gibt es das Auto noch mit einem 3,6-Liter-V6 und – erstaunlicherweise – mit einem Schaltgetriebe. Das dürfte Cadillac auch gern bei uns anbieten, denn der Automat schaltet mitunter nervös, ruckig und reagiert beim Kickdown etwas träge. Das Getriebe lässt sich aber auch mit Paddles am Lenkrad sortieren, dann fließen die Übergänge zwischen den Stufen sanfter.
Turbo läuft, Turbo säuft
Die Turbomaschine zieht kräftig an und dreht willig hoch. Der Motor arbeitet bei normaler Fahrt sehr leise, klingt aber in höheren Drehzahlen angestrengt. In 6,2 Sekunden geht’s auf Tempo 100, bei der Version mit Hinterradantrieb ist bei 240 km/h Schluss, die Version mit optionalem Allradantrieb wird nur 230 km/h schnell. An diesem Punkt zeigen sich die amerikanischen Wurzeln, denn die deutsche Konkurrenz in dieser Klasse schafft 250 km/h. Und auch beim Verbrauch gibt’s was zu meckern: Die Zweiliter-Maschine arbeitet getreu dem alten Spruch “Turbo läuft, Turbo säuft”. Cadillac nennt saftige 8,3 Liter Durchschnittsverbrauch für den Heckttriebler. Wir haben nach unserer Fahrt durch die Stadt, über Land und über die Autobahn 11,3 Liter vom Bordcomputer abgelesen.
Straffes Fahrwerk
Dass das ATS Coupé für Europa abgestimmt wurde, zeigt sich deutlich beim Federungskomfort. Da ist nichts vom schwammigen Gefühl so mancher US-Schlitten von früher zu spüren. Der Unterbau des Coupés ist straff ausgelegt und lässt die Karosserie auch in schnellen Kurven nur wenig wanken. Wie erwähnt, kann zwischen Hinterrad- und Allradantrieb gewählt werden, mit dem 4×4-System ist das Auto je nach Ausstattung etwa 2.000 Euro teurer. Wir empfehlen die Allradversion, denn der Hecktriebler erfordert auf regennasser und rutschiger Straße einen vorsichtigen Gasfuß beim Beschleunigen und in Kurven – hier sind die Nachteile von viel Power, Hinterachsantrieb und Frontmotor zu spüren. Auf trockener Fahrbahn spielt der Allrader ebenfalls seine Trümpfe in Form einer neutralen Straßenlage in rasant gefahrenen Kurven aus.
Lenkung mit ZF entwickelt
In schnellen Wegbiegungen erweist sich auch die gemeinsam mit ZF entwickelte Zahnstangenlenkung als feine Sache: Die Steuerung ist direkt eingestellt und vermittelt ein gutes Feedback von der Straße. Dafür sollte man aber per Knopfdruck den “Sport”-Modus wählen, im Normalmodus reagiert die Lenkung etwas zu indirekt. Mit “Sport” werden zudem Getriebe und Gasannahme geschärft. Falls das adaptive Fahrwerkssystem “Magnetic Ride Control” an Bord ist, wirkt sich der Griff zur Taste auch auf den Unterbau aus. Allerdings haben wir zwischen “Tour” und “Sport” keine gravierenden Unterschiede spüren können, auch in der Tour-Einstellung ist der Wagen in Richtung Dynamik ausgelegt.
Handy per Induktion laden
Cadillac war schon immer für seine vielen technischen Helfer bekannt. Dem steht unser Testwagen in nichts nach. In der Mitte der hübsch gestylten Armaturentafel dominiert der Achtzoll-Monitor des CUE-Multimedia-Systems. Der Touchscreen ist gut ablesbar und zeigt einzelne Menüpunkte schon an, wenn man sich mit der Hand nur annähert. Die Anlage beinhaltet nicht nur eine Rückfahrkamera und ein Bose-Soundsystem, sondern auch einen Anschluss fürs Smartphone. Es bekommt ein eigenes Fach und kann dort sogar per Induktion aufgeladen werden.
Enger Fond, kleine Kofferraum
Die Sitze vorn sind bequem und geben guten Seitenhalt. Während auf den ersten Plätzen genügend Raum ist, spüren wir weiter hinten nichts von amerikanischer Opulenz. Der Fond ist für Erwachsene zu eng, hier stößt ein 1,80-Meter-Mann mit dem Kopf am Dach an. Auch der mit 295 Liter sehr kleine Kofferraum wartet eher auf das Gepäck von höchstens zwei Leuten. Die können dann aber auch sperrigere Sachen mitnehmen, denn die Rücklehnen lassen sich umlegen. So entsteht eine Durchlademöglichkeit.
Ab 39.600 Euro
Das Cadillac AT Coupé ist ab 39.600 Euro zu haben, dafür gibt es ein hinterradgetriebenes Modell (RWD) in der Ausstattungslinie “Elegance”. Die RWD-Versionen können darüber hinaus in den Linien “Performance” und “Premium” bestellt werden. Der günstigste Allrader kostet 47.895 Euro, kommt aber bereits in der Performance-Linie. Jedes Coupé hat ab Werk einen gute Grundausstattung, dazu gehören Bi-Xenon-Scheinwerfer, 18-Zoll-Felgen, ein Head-up-Display, Bose-Sound und ein Schlüssellos-System. Darüber hinaus hat der Hersteller verschiedene Extra zu Paketen geschnürt, die gegen Aufpreis mitgeliefert werden. So beispielsweise einen Abstandstempomaten, eine elektronische Parkbremse und einen Toter-Winkel-Warner im “Driver Assist”-Paket. Was die Zusatzausstattung kosten soll, will Cadillac erst in den kommenden Tagen bekannt geben.
(hd)
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