Berchtesgaden, 18. Februar 2014
Was wurde nicht geunkt, als Volvo vom chinesischen Geely-Konzern übernommen wurde. Nicht wenige sahen den Untergang des Abendlandes am Horizont oder gar einen Ausverkauf automobiler Kultur. Doch in den letzten vier Jahren ist das Gegenteil eingetreten: Die Verkaufszahlen steigen und Designchef Thomas Ingenlath arbeitet an schicken Neuheiten. Bis es allerdings so weit ist, räumt Volvo erst einmal seine Motorenpalette auf. Die Fünfzylinder gehen sukzessive in Rente, künftig wird es nur noch Vierzylinder-Triebwerke mit zwei Liter Hubraum geben. Sind Sie ein guter Ersatz? Wir haben es getestet.
Block-Bildung
Die neuen Motoren basieren auf einem gemeinsamen Block, egal ob es sich um Benziner oder Diesel handelt. Gemeinsam ist auch der Zylinderabstand, die Bohrung und der Hub. Hinzu gesellen sich Gleichteile wie Kurbelwelle, Ölwanne und Lichtmaschine. Das spart Kosten in der Produktion, ebenso die Straffung der Getriebeauswahl auf eine manuelle Box mit sechs Gängen und eine Automatik mit acht Gängen. Seitens Volvo wird die kompakte Bauweise der so genannten “Drive-E”-Motorenfamilie hervorgehoben. Damit das so bleibt, bekommen die Aggregate je nach Leistung einen oder mehrere Turbolader verpasst. Im Topmodell T6 mit 306 PS ist sogar ein Kompressor im Spiel. Fast hätten wir es vergessen: Sparsamer sollen die neuen Euro-6-Maschinen natürlich auch sein.
Klassik und Moderne
Soweit die Theorie in Kurzform, für die Praxis stehen wir vor der Qual der Wahl: Welches Volvo-Modell nehmen? Bei den Verkäufen liegen XC60, V40 und V60 vorne, doch sie sind uns schon eine Spur zu modisch. Deshalb wählen wir den XC70. Groß, relativ kantig und übersichtlich: Er ist ein Volvo ganz nach unserem Geschmack. Beim XC70 handelt es sich um die höher gelegte und mit schwarzem Plastik behängte Variante des V70 genannten Kombis. Andere Autohersteller machen es ähnlich, man denke nur an den VW Passat Alltrack oder Audi A6 allroad quattro. Im Gegensatz dazu steht dem XC70 die Offroad-Optik aber. Apropos Optik: Seit Sommer 2013 hat der XC70 einen Grill in Wabenoptik plus größerem Markenlogo sowie eine leicht geänderte Heckpartie.
Da passt was rein
Uns beeindruckt die Mischung beim Volvo XC70: Auf der einen Seite eine klassisch gute Übersichtlichkeit und ein bis zu 1.600 Liter großer Kofferraum, auf der anderen Seite ein sehr modernes Cockpit im sachlichen skandinavischem Stil. Die digitalen Instrumentenanzeigen sind vom V40 bekannt, zur Wahl stehen drei verschiedene Ansichten. Ein angenehmes Überbleibsel aus der Volvo-Ehe mit Ford ist die beheizbare Windschutzscheibe. Wir heizen zunächst mit dem neuen T5-Benziner los, allerdings maßvoll. Denn obwohl der Motor aus den erwähnten zwei Liter Hubraum ordentliche 245 PS holt und in 6,8 Sekunden auf 100 km/h sprintet, erzieht der XC70 zu einer entspannten Fahrweise. Zügig gefahrene Kurven sind nicht sein Metier, beim Kavaliersstart stößt der Frontantrieb schnell an seine Grenzen. Die Kombination aus hoher Laufruhe und der serienmäßigen Achtgang-Automatik macht gelassen und tiefenentspannt. Rasen sollen ruhig die anderen.
Verwirrende Kombinationen
Alles picobello beim XC70 T5? Nicht ganz, denn wer einen Benziner mit Allrad möchte, muss bei dieser Modellreihe zum 304 PS starken T6 mit Sechszylinder greifen, den es nur mit Sechsgang-Automatik gibt. Ähnlich sieht es bei den Dieseln aus: Der neue D4 mit vier Zylindern und 181 PS ist vorerst nur mit Frontantrieb erhältlich. Sein Namensvetter mit Allrad ist zwar genauso stark, nutzt aber weiterhin einen 2,4-Liter-Fünfzylinder. Das ist selbst für uns Profis verwirrend, deshalb unser Tipp: Im Prospekt nach dem Hubraum gucken. Und gleich noch einen Tipp hinterher: Statt mit Allrad den XC70 D4 mit der Achtgang-Automatik nehmen. Zwar ist die serienmäßige Sechsgang-Schaltung überraschend knackig und gefällt mit kurzen Wegen, doch der Automat passt besser zum Charakter des großen Wagens mit dem akustisch zurückhaltenden Diesel. Der mit Automatik auf 4,9 Liter auf 100 Kilometer respektive 129 Gramm CO2 kommt. Klar, das ist reine Katalogpoesie, aber dem Finanzamt ist das wurscht. Generell gilt: Es ist dieses Gefühl von Sicherheit, was den Schweden-Kombi ausmacht: Eine rote Lampe warnt in der Windschutzscheibe vor zu geringem Abstand, während die Verkehrsschilderkennung eine Markierung neben die passende Zahl im Tacho setzt. Als möchte Volvo sagen: Uns geht es nicht ums Geld bei den Assistenzsystemen. Wir wollen wirklich dein Leben schützen.
Üppig, aber nicht unverschämt
Was nun natürlich nicht bedeutet, dass alle Volvo-Händler Mitglieder der Heilsarmee sind. Schließlich wollen die Konzernbosse viele hübsche schwedische Kronen in der Bilanz sehen. Für den XC70 D4 mit Automatik müssten wir mindestens 44.880 Euro übrig haben. Im Gegenzug gibt es die Basisversion namens Kinetic inklusive einer Klimaautomatik und einem Notbremsassistenten für die Stadt. Nicht aber die schicken digitalen Instrumente. Dafür müssen wir zur mittleren Momentum-Ausstattung greifen. Sie kostet 48.980 Euro und bietet zusätzlich 17-Zoll-Alus, die Frontscheibenheizung, Parkpiepser hinten und auch Lederpolster samt Sitzheizung vorne. Sinnvolle Extras sind das verbesserte Navigationssystem (1.390 Euro im Paket) sowie das Fahrerassistenzpaket mit Totwinkelwarner, Distanzwarner, Abstandsregeltempomat und Verkehrszeichenerkennung (2.200 Euro). Verzichtbar ist dagegen die 250 Euro teure Lenkradheizung, sie wärmt ebenso wie die Sitzheizung unschwedisch lau. Wir packen lieber noch Parkpiepser vorne für 290 Euro und Metalliclack für 900 Euro drauf.
Ein teurer VW
Insgesamt landen wir so bei 53.760 Euro. Eine schöne Stange Geld, die man allerdings selbst bei VW loswerden kann. Dort kostet ein vergleichbarer Passat Alltrack mit 177 Diesel-PS und DSG fast 50.000 Euro, hat dann aber immerhin Allrad serienmäßig. Das hat der Audi A6 allroad quattro 3.0 TDI S tronic auch und mit 204 PS mehr Leistung. Dafür marschiert der Ingolstädter mit einigen Extras stramm auf die 70.000 Euro zu.
(rh)
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