Austin (USA), 5. Februar 2015
Es ist der Alptraum eines Autotesters: Ich sitze in einem netten Cabrio, aber es regnet wie aus Eimern. Das Verdeck zu öffnen, kommt mir nicht einmal im Traum in den Sinn. Mein Beifahrer bemerkt nur lakonisch, dass das heftige Geprassel auf der Stoffmütze klingt wie einst im Campingurlaub. Aber anders als zwei Wochen Lido di Jesolo im Regen gibt es wenigstens einen Stimmungsmacher und zwar unter der Haube. Denn ich sitze im neuen BMW 228i Cabriolet. Sorgt dessen Vierzylinder für gute Laune oder ist er ein Beziehungskiller?
Im Geiste des 3ers
Immerhin hat BMW einen offenen 2er wettergeschützt ausgestellt, sodass der Begriff “Trockenübung” tatsächlich einmal stimmt. Bereits auf den ersten Blick wirkt der Nachfolger des 1er Cabriolet deutlich harmonischer. Weniger Schwünge auf der Karosserie sorgen für mehr Eleganz und lassen den 2er sehr stimmig wirken. Hinzu kommt ein Längenplus von elf Zentimeter, insgesamt misst der neue Wagen 4,43 Meter. Keine unbekannte Zahl, denn exakt so lang war das 3er-Cabrio der Baureihe E36. Falls BMW einen Slogan braucht: Zwei ist das neue Drei.
Ein Fall für zwei
Aber auch wenn der 1er-Nachfolger deutlich zugelegt hat: Ein Raumwunder darf man nicht erwarten. Die Rücksitze passen bestenfalls zwei Personen, die gerne kuscheln und nicht größer als 1,60 Meter sind. Alle anderen Mitfahrer sollten spätestens zwei Häuserblöcke weiter von der Strafbank befreit werden. Merke: Wer gerne zu viert unterwegs ist, sollte sich bei den höheren BMW-Nummern umsehen. Im 2er Cabriolet ist eine anderweitige Nutzung des Fonds zu überlegen, sei es als Platz für das Windschott oder zusätzliche Gepäckablage mitsamt Durchreiche.
Mehr ist nicht viel
Apropos Gepäckmitnahme: Zwischen 280 und 335 Liter passen in den zerklüfteten Kofferraum. Bei geöffnetem Verdeck schränkt die dann notwendige Ablagekassette die nutzbare Höhe des Abteils ein. Doch in diese Verlegenheit komme ich nicht, auch wenn sich die Stoffmütze in zwanzig Sekunden bei bis zu 50 km/h öffnen oder schließen lässt. Das Einzige, was bei mir im Moment zwanzig Sekunden dauert, ist der Sprint durchs Unwetter zum Testwagen.
Dick eingepackt
Einmal angekommen, lasse ich mich in den bequemen Leder-Sportsitz fallen. Die entsprechenden Sessel für Fahrer und Beifahrer sind in der sogenannten “Sport Line”-Ausstattung serienmäßig. Der Aufpreis? Deutlich über 2.000 Euro. Sehr vertraut wirkt das Cockpit, alles liegt griffgünstig zur Hand. Übrigens: Die gleiche Bedienoptik bekommt ab März 2015 auch der geliftete 1er. Mein Blick schweift kurz durch den Innenraum: Mit geschlossenem Verdeck fühlt man sich zugebaut, zumal das Heckfenster ziemlich schmal ist. Das liegt weniger an der Kopffreiheit (die ist nämlich gut), sondern am schwarzen Dachhimmel. Qualitativ gibt es an der nochmals besser gedämmten Stoffmütze nichts auszusetzen: Alles ist dicht, kein Wind kann an der Kapuze rütteln.
Vier gleich sechs
Eine gute Gelegenheit also, genau auf den Motor zu hören. In unserem Fall ist es der 228i, der mit einer Achtgang-Automatik zusammenarbeitet. BMW 228i: Das klingt für langjährige Fans der Marke nach Sechszylinder. Aber weit gefehlt, das Aggregat kommt mit vier Töpfen und zwei Liter Hubraum aus. Die gleiche Turbo-Maschine verrichtet auch im 220i ihren Dienst, ein Baukasten-System macht es möglich. Um gusseisernen BMW-Fans endgültig die Tränen in die Augen zu treiben, kommt das Cabrio auch als 218i mit Dreizylinder. Wenig Verbrauch und geringer CO2-Ausstoß sind nun einmal aktuell die goldenen Kälber, um die getanzt wird.
Feiner Antrieb
Und was ist mit dem Fahrspaß? Der ist ohne Frage im 228i reichlich vorhanden. Genügend Druck ist nämlich in praktisch jeder Lebenslage da, genauer gesagt: 350 Newtonmeter von 1.250 bis 4.800 Touren. Dazu passt das ausgezeichnete Automatikgetriebe. Es verteilt das Drehmoment stets so präzise wie früher Oma die Butter auf der Brotscheibe. Lediglich das Start-Stopp-System trübt das Bild etwas, denn das erneute Anlassen erfolgt recht träge. Konkreter beschrieben: Motor geht an und beim Tritt aufs Gas drückt es dich sofort in den Sitz. Oft fällt der Hammer zu schnell. Aber andererseits hätten sich das die Fahrer von 325i oder 328i vor zwanzig Jahren manchmal gern gewünscht. Klar klangen die Reihen-Sechszylinder toll, mussten aber auch gedreht werden. Glauben Sie nicht? Bitte schön: BMW 328i, Baureihe E36, 280 Newtonmeter bei 3.950 Touren.
Befehls-Empfänger
Doch so schön die neue Vierzylinder-Welt bei BMW objektiv ist, subjektiv bleibt man zwiegespalten zurück: Entweder viel Drehmoment oder viel Sound. Beides gleichzeitig geht nicht. Selbst wenn man im 228i das Gaspedal voll durchtritt, ändert sich der Klang bestenfalls zu einer metallisch-kernigen Kulisse. Kleiner Trost: Wer die Sechszylinder-Turbine vermisst, bekommt sie im M235i Cabriolet. Alle anderen können auch im 228i viel Spaß haben, denn das Ansprechverhalten der Lenkung ist vorzüglich, ebenso das flinke Handling. Dieses Auto folgt den Anweisungen seines Fahrer wie ein Trüffelschwein seiner Beute. Dabei kommt selbst mit den bei uns montierten 18-Zoll-Felgen der Komfort nicht zu kurz. Trotzdem sollte gut überlegt werden, ob die serienmäßigen 17-Zöller nicht ausreichend sind.
Ein teurer Spaß
Wirklich preiswert ist das BMW 228i Cabriolet nämlich trotz Vierzylinder nicht. Los geht es bei 39.550 Euro, die Automatik kostet 2.100 Euro extra. Inklusive sind schon beim Grundmodell ein elektrisches Verdeck, eine Klimaautomatik und ein CD-Radio mit 6,5-Zoll-Bildschirm. Empfehlenswert ist die sogenannte “Advantage”-Linie. Sie kostet 40.350 Euro und bietet zusätzlich Parkpiepser hinten (Stichwort kleines Heckfenster), einen Tempomat mit Bremsfunktion und ein Multifunktionslenkrad. Lust, das Festgeldkonto leerzuräumen? Auch kein Problem, mit der reich gefüllten Aufpreisliste kann der offene 228er locker auf das Euro-Niveau eines 4er-BMW gebracht werden. Noch ein Blick auf den wichtigsten Konkurrenten, das Audi A3 Cabriolet. Hier klafft zwischen dem 1.8 TFSI mit 180 PS und dem 300 PS starken S3 eine Lücke, in die der 228i lustvoll hineinfährt.
(rh)
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