Barcelona, 12. Februar 2015
Jeder Lebensabschnitt hat sein passendes Auto: Nach dem Führerschein muss es billig sein, im Alter möchte man hoch sitzen. Sind (noch) keine Kinder im Haus und ist der Rücken noch gesund, darf es gerne ein Sportwagen sein, je nach Kontostand ein Toyota GT86 oder ein Porsche Cayman. Aber was soll man machen, wenn man sich an die Rolle als Aushilfs-Vettel gewöhnt hat, aber die Gattin auf Vermehrung drängt? Ein Kombi muss her und zwar schnell. Jetzt bringt Seat seine Lösung des Problems “Viele PS geteilt durch zwei Kinder mal günstiger Preis” auf den Markt: den neuen Leon ST Cupra. Wir haben den kräftigen Kombi getestet.
Linien mit Pfiff
Zugegeben, eine große Überraschung ist die Laster-Version des Seat Leon Cupra nicht. Alle Leon-Modelle teilen sich die gleiche Baukasten-Technik und die Marktlücke für einen Kombi-Cupra (nur nicht verwirren lassen: ST steht bei Seat für Kombi, aber bei Ford für Sport) ist da, denn ähnliche Wagen sind an einer Hand abzählbar. Nur sehen sie formal nicht so gelungen aus wie der Seat. Schon das Basismodell des 4,54 Meter langen Leon ST bietet ein scharfes Design, ohne übertrieben zu wirken. Diese Linie setzt sich beim ST Cupra fort: Vorne gibt es große Lufteinlässe mit Gittereinsätzen in Wabenform, am Heck gibt sich der Wagen mit einem schwarzem Einsatz im Stoßfänger und zwei Endrohren dezent. Sie fangen schon an zu gähnen? Wer optisch so richtig auf den Putz hauen will, bekommt für den Leon ST Cupra 280 (der sich ansonsten durch 19-Zöller vom schwächeren Bruder abhebt) eine wilde Optik mit orangenen Akzenten, die Felgen eingeschlossen.
Mehr Zweck im Heck
Auch im Innenraum übt sich Seat in Zurückhaltung. Einzig die serienmäßigen Sportsitze mit dunkelgrauer Alcantara-Polsterung und weißen Nähten weisen auf den Cupra hin, ansonsten gibt es ein Sportlenkrad und kleine Logos. Falls Papi jede Kurve voll nimmt, gibt es optional Schalensitze. Vorne, nicht hinten. Dort wird es dann ein wenig enger, trotzdem beeindruckt das Platzangebot im Leon ST Cupra. Die wichtigste Zahl für Mutti: 587 bis 1.470 Liter Kofferraum, ergo voll Kinderwagen-tauglich.
Darf es ein wenig mehr sein?
Seats kräftigen Kinderwagen gibt es in zwei Motorisierungen: Der Zweiliter-Turbo bringt wahlweise 265 oder 280 PS auf die Straße, auf den stärkeren Motor wird diskret am Heck hingewiesen. Serienmäßig ist bei beiden Aggregaten eine Sechsgang-Schaltung, optional ist ein DSG mit sechs Gängen erhältlich. Für die erste Testrunde wähle ich den Leon ST Cupra 280 mit DSG. Schnell zeigt sich, wie gut Seat den Wagen abgestimmt hat. Obwohl im höchsten Gang bei Tempo 120 schon 2.800 Umdrehungen anliegen, bleibt es innen ruhig, beim Dahingleiten auf der Autobahn ist von Krawall keine Spur. Entspanntes Gleiten ist möglich, wenn wie in meinem Fall “Comfort” als Fahrmodus gewählt wurde. Möglich macht es die Kombination aus serienmäßiger adaptiver Fahrwerksregelung und Progressivlenkung. Neben der guten Dämmung überrascht mich, dass der Abrollkomfort nicht unter den beim 280er-Cupra verbauten 19-Zoll-Alus leidet. Anders als bei manchem Konkurrenten ist die Charakteristik nicht so spitz ausgelegt, dass man sich in jeder Fahrsituation wie auf einer Kanonenkugel sitzend wähnt.
Flotter Ritt
Nun darf man aber nicht denken, dass der Seat Leon ST Cupra ein Kombi für Weicheier ist. Die Kanonenkugel steht nämlich bei Bedarf bereit. Dafür spricht schon die für einen Fronttriebler beeindruckende Rundenzeit von unter acht Minuten auf der Nürburgring-Nordschleife, die der “normale” Leon Cupra erzielt hat. Um die Grenzen der ST-Variante auszuloten, geht es auf die Rennstrecke von Castelloli nahe Barcelona. Mein Werkzeug ist auch hier ein 280er mit DSG, nun aber im speziellen Cupra-Modus. Hier ist die Gasannahme besonders sensibel, das DSG im sportlichsten Modus und ein Soundaktor bemüht sich um den Motorklang. Letzterer bewegt sich eher im Mittelfeld der Hitparade, als ich mit beherztem Druck aufs Gaspedal bis zu 1,1 bar Ladedruck in den Turbo puste. Fast ohne das typische “Hufscharren” eines Frontrieblers jagt der Wagen in exakt sechs Sekunden auf 100 km/h. Per so genanntem “Valve Lift System” werden sowohl der Kurbelwinkel beider Nockenwellen als auch der Ventilhub variabel verstellt.
Front unter Kontrolle
Am beeindruckendsten ist aber ohne Frage, wie neutral sich der Leon ST Cupra durch schnell gefahrene Kurven manövrieren lässt. Die Lenkung bietet genau das richtige Maß, um flott unterwegs zu sein. Erst die Physik setzt Grenzen, wenn der knapp 1,5 Tonnen schwere Kombi spürbar zum äußeren Kurvenrand drängt. Mit einer Vorderachs-Differentialsperre hat Seat das Traktionsproblem des Frontantriebs minimiert. Das System nutzt Lamellenpakete, die hydraulisch betätigt und elektronisch gesteuert werden. Das maximale Sperrmoment liegt bei 1.600 Newtonmeter, im Extremfall kann das gesamte Antriebsmoment auf ein Rad geleitet werden. Kein Wunder, dass selbst Seat-Technikvorstand Matthias Rabe meint, der Leon ST Cupra sei mehr Sportwagen als Laster.
Qual der Wahl
Eine Frage treibt mich vor der Rückfahrt dennoch um: Welche Version des spanischen Renntransporters ist besser? Reichen auch 265 PS? Also schnappe ich mir den schwächeren Leon ST Cupra, zur Vergleichbarkeit wieder mit DSG. Rein subjektiv ist der 265er im Antritt einen Hauch langsamer, ansonsten bestätigt sich das Bild, welches die technischen Daten liefern: Nur 0,2 Sekunden liegt das kleinere Modell in der Beschleunigung auf 100 km/h hinter dem großen Bruder. Spätestens auf der Schnellstraße merke ich das nicht mehr, genug Leistung ist auch hier im Überfluss vorhanden. Das maximale Drehmoment beträgt bei beiden Varianten 350 Newtonmeter, es liegt beim stärkeren Cupra lediglich nach oben heraus etwas länger an. Preislich liegen 1.300 Euro zwischen beiden Motorisierungen, was in dieser Liga eigentlich kein schlagendes Argument ist. Schon eher, die Überlegung, dass der Zweiliter-Motor im 265-PS-Cupra vielleicht länger hält, weil aus ihm nicht ganz so viel Leistung herausgequetscht wird. Andere Interessenten könnten sich für den dezenteren optischen Auftritt des 265ers erwärmen.
Ein feines Angebot
Wie dem auch sei, der Seat Leon ST Cupra bleibt in finanzieller Reichweite, wenn er ab dem 8. März 2015 beim Händler steht. Los geht es bei 32.560 Euro, der Cupra 280 kostet 33.860 Euro. Für das DSG wird stets 1.700 Euro extra verlangt. Zur Serienausstattung zählen unter anderem Voll-LED-Scheinwerfer und ein Media-System mit 5,8-Zoll-Touchscreen. Wer ein Navi ordert, bekommt einen größeren 6,5-Zoll-Monitor. Damit das schnelle Fahren nicht zur Gefahr wird, ist gegen Aufpreis ein Tempomat mit Abstandsregelung erhältlich. Apropos Gefahr: Welche Kontrahenten gibt es für den Leon ST Cupra? Zunächst ist da der neue VW Golf R Variant zu nennen. Er spielt aber mit 300 PS Leistung und einem Preis von mindestens 42.925 Euro schon in einer anderen Liga. Etwas schwächer als der Seat ist der jüngst geliftete Ford Focus ST Turnier. Der 250 PS starke Kombi bietet wie der Leon ST Cupra 350 Newtonmeter Drehmoment und beginnt bei 28.850 Euro.
(rh)
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